Der amerikansche Schriftsteller W.H.Pugmire, Autor von überwiegend "Lovecraftian Fiction" -Stories und Novellen, gehört heute laut S.T.Joshi zu den versiertesten Handwerken neuer Geschichten, die er dem inzwischen weitverzweigten Kosmos hinzugefügt hat.

 

Pugmires Co-Autor David Barker erinnert:

 

 

 

                                                                                                         

 

Wilum Pugmire, der seltsamste Bewohner des Sesqua-Tals

 

von David Barker

 

 

 

Am 26. März 2019, ist mein lieber Freund und Kollege, der renommierte Autor von Lovecraftian Fiction, W. H. Pugmire, gestorben. (1951 - 2019)

 

Die Horror-Literatur hat einen meisterlichen Handwerker verloren, und eines wirklich feinen Menschen.  S. T. Joshi, einer der bekanntesten Lovecraft-Kenner weltweit sagte, dass Wilum vielleicht der beste Prosadichter Lovecraftian Fiction ist, den wir haben."  

 

Ich werde Wilum furchtbar vermissen, ebenso wie seine vielen Fans.

 

Wir werden so schnell keinen anderen Schriftsteller sehen, der ihm ebenbürtig ist.

 

Seine Prosa ist exotisch, evokativ, sinnlich und emotional. Viele seiner Stücke befinden sich in seinem erfundenen Reich im Sesqua-Tal, wo die meisten Bewohner übernatürliche Kreaturen sind, die nur teilweise menschlich sind.

 

Die Handlung ist oft vage oder sogar kryptisch.

 

Stimmung ist wichtiger als Handlung.

 

Und das "Mythos-Monster" ist der eigentliche Held der Geschichte.

 

 

Ich freundete mich mit Wilum Pugmire um 1988 an.

 

In jenen Tagen vor dem Internet verließen sich Horrorautoren auf Scavengers Newsletter, Janet Fox' monatliche Auflistung der Literaturmärkte und Genres. Hier habe auch ich meinen Anfang als Horrorautor.

 

1988 begann ich mit meinen eigenen Lovecraftian Horror-Zine, Midnight Shambler, und ich bat um Einreichungen in Scavengers Newsletter.

 

Ich erhielt üppige, exquisit gefertigte Prosastücke von einem Kollegen aus Seattle namens Wilum „Hopfrog“ Pugmire, Esq. 

 

Seine ungewöhnlichen Geschichten waren reich an Atmosphäre, wunderschön geschrieben, und ich war sofortig ein Fan. Dies war vor der E-Mail, und Autoren reichten ihre Arbeit per Post mit einem Anschreiben ein.

 

Wilums Briefe waren herrlich. 

 

Handschriftlich auf den Rückseiten unbenutzter Seiten aus seiner Musikzine Punk Lust, ähnelte in seinem Layout den Lettern des 18. Jahrhunderts, und er datierte sie zwei Jahrhunderte zurück, ebenso wie sein Held H. P. Lovecraft, so dass "1988" zu "1788" wurde.

 

Ich veröffentlichte ein paar seiner Geschichten plus eine Rezension, die er für die ersten beiden Ausgaben von Midnight Shambler schrieb, und plante eine spezielle All-Pugmire-Ausgabe, als ich abrupt beschloss, meinen Zine einzustellen.

 

So wurde die Wilum-Sonderausgabe abgesagt, was ich immer noch bedauere. 1990 gab ich ein einmaliges Zine-Sonderausgabe zum hundertsten Geburtstag von HPL heraus, genannt The Lovecrafter – 100th Anniversary Edition, und Wilum hatte eine Story darin.

 

Er wiederum veröffentlichte eine meiner Geschichten in seinem Zine, Tales of Lovecraftian Horror.

 

Obwohl ich ihn damals nie persönlich begegnete, hielt ich Wilum für einen Freund.

 

In den späten 1990er Jahren driftete ich von der Horrorszene weg und verlor den Kontakt zu Wilum, obwohl ich weiterhin Weird Fiction schrieb, die ich nicht aber nicht zu veröffentlichen versuchte.

 

Anfang 2012 beschloss ich, zum Horror zurückzukehren, und war überrascht zu sehen, dass viele der Autoren, die ich aus der kleinen Fanszene kannte, sich im nun aufkeimenden Feld der professionell veröffentlichten Cthulhu Mythos Fiktion einen Namen gemacht hatten; Wilum war eine wichtige Figur unter ihnen.

 

Seine Video-Blogs auf Youtube zeigten, dass er trotz seiner neuen Berühmtheit als führender Lovecraftian-Autor nichts von seiner Originalität verloren hatte.  

 

Er präsentierte sich immer noch als der Self-Made-Profi, behauptete eine  des "Queen of Eldritch Horror" zu sein und besessen von Lovecraft, ein Fanboy, gekleidet wie eine Drag-Queen, sein Gesicht grün oder rot oder gelb gemalt, mit Runen im Gesicht, und einen Hut wie der Papst auf dem Kopf, mit einem Foto von Barbara Streisand, oder Boy George, oder Poe. Egal wer er da war – er hatte sich nicht verändert, er war einfach bekannt in der Szene.

 

 

Dann kaufte mir ein Freund, Obadiah Baird (Herausgeber des Magazins The Audient Void), ein Ticket für das H. P. Lovecraft Film Festival 2012 in Portland, Oregon.

 

Wilum gab eine Lesung an dem Tag, an dem wir teilnahmen, und ich war froh, dort zu sein. Es war unglaublich. Er las mehrere kurze Stücke, die meisten oder fast alle von ihnen Prosagedichte. Nach dem ersten flüsterte ich Obadiah zu: "Du kannst hören, warum ich ihn veröffentlicht habe – er ist großartig!" Das Stück, das den stärksten Einfluss auf mich hatte, war ein melancholisches Prosagedicht namens "Letters from an old Gent“, in dem er sich vorstellt, wie Lovecraft das Grab seines Vaters besucht.

 

Er sprach dann mit sehr ergreifenden Kommentaren darüber, was Lovecraft für ihn persönlich als Schriftsteller bedeutete, und sagte, dass dies aufgrund seiner schlechten Gesundheit das letzte Jahr sein könnte, in dem er das Festival besuchen würde.  

 

Danach, als er das Auditorium verließ, näherte ich mich ihm zaghaft und stellte mich vor und sagte: "Ich weiß nicht, ob du dich an mich erinnerst, aber ich glaube, ich habe dich vor vielen Jahren veröffentlicht."

 

Er erinnerte sich an mich und hieß mich sehr herzlich willkommen und umarmte mich. Er schien wirklich bewegt, mich zu treffen, und es beruhte auf Gegenseitigkeit. Ich stellte Obadiahvor, und dann, als wir ihn nicht ermüden oder zu viel Zeit in Anspruch nehmen wollten, ließen wir ihn in Ruhe. Letztendlich hingen Wilum und ich zusammen und nahmen an sechs verschiedenen Cons teil, die allesamt wunderbare Erfahrungen für mich waren.

 

Kurz nach dem HPLFF 2012 wurden Wilum und ich Facebook-Freunde, und eines Tages fragte er mich, ob ich genug Lovecraftian-Stories habe, um ein Buch zu machen.

 

Ich sagte, es sind genug, und er bot mir an, mir zu helfen, einen Verleger für dieses Buch zu finden. Ich war verblüfft von seiner Großzügigkeit und schickte ihm Manuskripte von zehn meiner besten Lovecraftian-Stories. Schließlich interessierte er einen Verleger für eine Story-Sammlung, dass die Hälfte seiner Geschichten und die Hälfte meiner Geschichten beinhalten sollte.  

 

Dann schlug er vor, dass wir an einer Geschichte zusammenarbeiten, um die Sammlung aufzupeppen. Ich fühlte mich sehr geehrt, dass er mich für die Aufgabe geeignet hielt. Ich habe diese Herausforderung sehr ernst genommen und alles gegeben.   Insgesamt arbeiteten wir an fünf Werken zusammen: der Roman „The Revenant of Rebecca Pascal“, den Erzählungen "In the Gulfs of Dream" und "The Stairway in the Crypt". Ausserden an „In the Gulfs of Dream and Other Lovecraftian Tales“, dem Roman „Witches in Dreamland“ und dem Gedicht „Audienceat Sunset".

 

Die Arbeit mit einem Künstler seines Könnens und seiner Phantasie war eine lebensverändernde Erfahrung, für die ich zutiefst dankbar bin.

 

 

Aber Wilum Pugmire war weit mehr als ein hervorragender literarischer Künstler.

 

Er war der liebenswerteste, freundlichste, offenherzigste Mensch, den ich je gekannt habe. Möge seine Erinnerung als großartiger Mensch für immer bestehen bleiben, und mögen seine Geschichten von zukünftigen Generationen lesende Lovecraftian-Fiction weiterhin geschätzt werden.

 

 

 

[c, by David Barker & Edition Bärenklau, 2021 - Übersetzung: Jörg Martin Munsonius]