Dieter Hauschild wurde 1922 in Hamburg geboren und starb 1985 in Grevenbroich. Er war gelernter Konditor, kämpfte im 2. Weltkrieg als MG-Schütze in Italien und Frankreich und schuftete anschließend zwei Jahre in belgischer Kriegsgefangenschaft als Kohlenhauer. Nach seiner Entlassung arbeitete er als Rangierer, Steinmetz, Hilfslehrer für Geschichte, Straßenbauer, Bäcker, Konditor, Gastwirt, Koch, Briefträger und Volkshochschuldozent. Zwischen 1966 und 1972 schrieb er 16 Westernromane. Von Dieter Hauschild erschienen zu Lebzeiten:
- „Höllentrail nach Kansas“, Kelter Western 22/1, 1969 (als Adam Cooper)
- „Der letzte Kampf“, Z Silber-Wildwest 809, 1969 (als Ward Bros)
- „Sein Vater war ein verdammter Rebell“, Paul-Feldmann-Verlag, Marl-Hüls, Nr. 1820, 1971 (als Jack Morris)
- „Girls für Camp Hills“, Z Silber-Wildwest 934, 1971 (als Ward Bros)
- „Nur ein Sergeant“, Z-Silber Western 1409, 1980 (als Hondo Latimer)
- „Cannigan“, Z Silber Western 1411, 1980 (als Ringo Hurricane)
In der Edition Bärenklau erscheinen von Dieter Hauschild alias Pat Urban demnächst als Erstveröffentlichung die Romane „Hinter jenen Hügeln“, „Clint Dust“, „Jonny“, „Clyde Stevens“, „Texaner“, „Postreiter“, „Das vergessene Fort“, „Nebraska Jim“, „Partnerschaft“ und „Revolvermann Nik Madinson“.
Anlässlich der Neuedition sprach Jörg Munsonius mit Dieter Hauschilds Sohn, dem 1955 geborenen Jan-Christoph Hauschild.
1. Ihr Vater schrieb Romane zu einer Zeit, als es noch viele Leihbüchereien gab und dazu Verlage, die nur für diesen Markt publiziert haben. Wie hat Ihr Vater hier den Einstieg geschafft?
Etwa 1963 hat mein Vater Dieter Hauschild beim Zauberkreis-Verlag in Rastatt vorgefühlt, ob man Interesse an Western aus seiner Feder hätte. Er hat sich damit interessant gemacht, dass er behauptete, als Schiffskoch weit herumgekommen zu sein und viel erlebt zu haben. Zwar hat er nie ein Schiff betreten, außer vielleicht die Hamburger Alsterfähre, aber die Antwort war ermutigend, und das gab den Ausschlag. Seinen ersten Roman tippte er auf einer uralten Underwood-Schreibmaschine. Er hatte noch keinerlei Ahnung von den ganzen Formalia, also was den normierten Umfang angeht, wann Absätze und Einzüge zu erfolgen haben, wann Pronomina groß- und wann sie klein geschrieben werden. Aber er hat die Vorgaben sofort beherzigt und sich dann auch eine anständige Schreibmaschine gekauft, eine Triumph Gabriele, und darauf hat er alle seine Romane geschrieben.
2. Ihr Vater schrieb in einer Zeit, als der Western noch einen sehr großen Marktanteil sowohl im TV als auch auf dem Buchmarkt hatte. Wie haben Sie diese Zeit erlebt, und was bedeutete der Western für Ihren Vater – und natürlich auch für die Familie?
Hauschild liebte Westernfilme (sein Lieblingsdarsteller war John Wayne) und war selbst begeisterter Leser von Westernromanen. Howard Duff, G. F. Unger und Robert Ullman waren damals seine Lieblingsschriftsteller. Als er in den 50er Jahren als Konditor meist in auswärtiger Stellung war und nur alle paar Wochen kurz nach Hause kam, schrieb er uns viele Briefe, die oft Indianergeschichten enthielten. So hat er die ganze Familie mit seiner Westernbegeisterung angesteckt. Die Karl-May-Welle ab 1962 tat dann ein Übriges. Das Pseudonym Pat Urban hat sich übrigens 1968 meine Mutter ausgedacht. Die Verlage hielten sich aber nicht daran und veröffentlichten seine Romane unter den hauseigenen Sammelpseudonymen: Adam Cooper (Kelter-Verlag), Ward Bros, Hondo Latimer, Ringo Hurricane (Zauberkreis-Verlag), Jack Morris (Paul-Feldmann-Verlag).
3. War Ihr Vater auf den Western spezialisiert oder hat er auch über andere Themen geschrieben?
Als Soldat schrieb Hauschild Gedichte, in der Kriegsgefangenschaft Geschichtsdramen und nach dem Krieg Erzählungen. Mit einer, die im Stil von E.F. Löhndorff gehalten war, „Der grüne Stein“, hat er sich bei einem Preisausschreiben des Axel Springer-Verlags beworben. Er begann auch mit einem Roman, der in der Fremdenlegion spielt. Aber richtig wohl fühlte er sich erst auf dem Gebiet des Western.
4. Kann man sagen, dass Ihrem Vater das Schreiben in die Wiege gelegt wurde?
Vielleicht wurde da tatsächlich etwas vererbt. Das „Schriftsteller-Gen“ ist in unserer Familie jedenfalls ziemlich verbreitet, und jeder war oder ist auf einem anderen Gebiet tätig. Nicht zu übersehen ist aber auch, dass das Schreiben für meinen Vater ein Moment der Beständigkeit in seinem insgesamt sehr unsteten, von Getriebensein und wiederholtem Scheitern geprägten Leben war. Ein Normal-Lebenslauf sieht anders aus.
5. Als Schriftsteller hatte er ja auch nicht den großen Erfolg, von seinen 16 Romanen wurden nur sechs veröffentlicht. Gibt es dafür in ihren Augen Gründe?
Einer der Gründe ist vielleicht, dass er bestimmte Klischees mied und seine Romane damit gewissen Anforderungen der Verlage nicht entsprachen. Der Wilden Westen war für ihn nicht das Land der Abenteuer und echten Männer, kein Paradies der einfachen, ehrlichen Lebensweise. Er hatte einen ziemlich illusionslosen Blick auf eine profitorientierte, korrupte Gesellschaft, in der es Männer mit Ehrbegriffen schwer haben, sich gegenüber ihren militärischen oder zivilen Vorgesetzten mit ihren Idealen zu behaupten. Vielfach kritisierte er fanatischen Rassenhass und gab den unterdrückten, vertriebenen und ermordeten Indianern eine Stimme. Im Roman „Sein Vater war ein verdammter Rebell“ berichtet er vom Abschreiten eines Schlachtfeldes durch die US-Army und kommentiert die Praxis, verwundete Indianer zu erschießen, mit bitterem Sarkasmus: „Indianern gibt man den Gnadenschuss. Auch eine Ansicht. Hierin ist man manchmal etwas zu großzügig. Aber der Hass auf den Gegner ist einfach zu groß.“ Dennoch war ihm die Problematik bewußt, zwischen dem Besitzrecht der Indianer und der Aneignung von Siedlungsraum durch weiße Einwanderer, in der Mehrzahl europäische Armutsflüchtlinge, entscheiden zu müssen: „Jeder hat nun einmal recht, von seiner Warte aus gesehen“, heißt es in „Revolvermann Nik Madinson“. Ziemlich aktuell, oder?
6. Was geschah mit den zehn ungedruckten Manuskripten?
26 Jahre nach dem Tod meines Vaters habe ich alles, was mit seiner Western-Schriftstellerei zusammenhängt, der Forschungsbibliothek der „Deutschen Gesellschaft zum Studium des Western“ („German Association for the Study of the Western“, GASW) in Münster als Geschenk übergeben. Darunter befinden sich auch die Typoskripte der 10 bisher unveröffentlichten Romane sowie einige Romanfragmente und ältere Arbeiten.
7. Gibt es etwas Charakteristisches, das alle 16 Romane verbindet, ein übergreifendes Merkmal?
Der Humanitätsgedanke wäre so ein Merkmal. Um mit Schiller, einem seiner Lieblingsschriftsteller, zu sprechen: „Alle Menschen werden Brüder“. Die Freundestreue ist auch ein Motiv, das ständig vorkommt. Treue nicht zu Idealen oder zu einem Land, sondern zu Menschen, egal welcher Rasse und Hautfarbe, vom Zweierbund bis zur vielköpfigen Trailmannschaft. Hauschild wählte dafür den bewußt nüchternen Begriff der „Partnerschaft“, den einer seiner Romane sogar als Titel trägt. Der Ehrentitel des Partners findet seine Steigerung im „Bruder“: ein Versprechen auf lebenslange Liebe und Treue bis hin zur bedingungslosen Opferbereitschaft.
8. Wie hat Ihr Vater gearbeitet bzw. wie war seine Vorgehensweise beim Schreiben und Konzipieren eines Romans?
Hauschild legte Wert darauf, daß seine Romane geographisch und historisch korrekt waren. Deshalb betrieb er regelrechte Studien über die amerikanische Pionierzeit, besuchte Bibliotheken wie z. B. das Amerika-Haus in Köln, beschaffte sich Landkarten vom Mittleren Westen der USA und wurde 1968 Mitglied der Nebraska State Historical Society, weil er dadurch zu günstigen Konditionen Spezialliteratur bestellen konnte. Das ist auch der Grund dafür, dass fast alle seine Romane in Nebraska angesiedelt sind. Viele spielen vor dem Hintergrund tatsächlicher Ereignisse: Als historische Persönlichkeiten erwähnt werden unter anderen die Generäle Crook, Gibbon und Pope und Lieutenant Colonel Custer sowie die Häuptlinge Ruling His Son von den Pawnee, Spotted Tail von den Brulé, Crazy Horse von den Oglala, Red Cloud von den Ite Sica, John Grass von den Sihasapa, Spotted Weasel von den Sioux und Dull Knife und Roman Nose von den Cheyenne. Hauschilds Mitgliedschaft in der Nebraska State Historical Society führte übrigens dazu, daß er vom Bundesstaat Nebraska, der am 1. März 1967 den hundertsten Jahrestag der Zugehörigkeit zu den USA feierte, zum „Honorary Nebraska Citizen“, zum Ehrenbürger ernannt wurde. Schade nur, dass damit keinerlei Privilegien verbunden waren.
9. Es wird behauptet, dass der Western heutzutage nicht mehr salonfähig ist und dieses Genre allmählich ausstirbt. Neue und junge Autoren sind mit diesem Genre nicht aufgewachsen und können die Faszination eines Western nicht mehr recht nachvollziehen. Ihr Vater erlebte die Blütezeit des Western in Deutschland. Welchen Stellenwert hat der Western heute für Sie?
Als Neunjähriger habe ich in der „Bravo“ die Adresse von John Wayne in Los Angeles entdeckt und mir von ihm ein Autogramm schicken lassen („Good Luck John Wayne“), und jetzt mit Einundsechzig habe ich mir alle drei Folgen der verkrampften Karl-May-Neuverfilmung auf RTL angesehen; unter kulturgeschichtlichen Aspekten war das übrigens ganz interessant. In meiner persönlichen Entwicklungsgeschichte haben Westernfilme und -romane eine bedeutende Rolle gespielt. Aber meine Hauptinteressen lagen und liegen woanders. Schließlich muß man sich als Sohn ja auch von seinem Vater abgrenzen, das gehört dazu.
Vielen Dank für das Gespräch.
Dieter Hauschild und seine Brüder beim Indianerspiel in Ludwigslust, 1932
2. Dieter Hauschild als Konditor im Café-Restaurant „Johannisberg“ in Bad Nauheim, 1956
3. Dieter Hauschild als Konditor im Hotel „Post“ in Bad Wildbad, 1959
4. Dieter Hauschild in Freudenstadt, ca. 1960
5. Dieter Hauschild als Briefträger in Neuss-Derikum, April 1968
6.Cover des Romans „Der letzte Kampf“, 1969
7.Dieter Hauschild an seiner Triumph-Gabriele, Mai 1970
8. Dieter Hauschild als Briefträger, Dezember 1976
Dieter Hauschild, April 1983
c, Interview und Fotos by Dr. Jan-Christoph Hauschild & Edition Bärenklau, 2017