Es gab keinen Wind, der die unheimliche Materie bewegte, und mit wachsendem Entsetzen wurde Connor klar, dass diese lebendig sein musste. Es gab keine andere Erklärung für die Art und Weise, wie sie sich sonst nach vorne schlängeln konnte und sich gleich einer schwarzen Schlange um den Garderobenständer wand, bis sie O'Reillys Arme zu verschlingen drohte.
Blinde weiße Augen brachen wie Geschwüre auf der schwarzen Oberfläche hervor und rollten wie verrückt hin und her.
O'Reillys Mund verzog sich, sein Kiefer malte fast lautlos. Er wirkte hilflos, hielt den Garderobenständer aber weiter fest in den Händen.
Doch es war nicht das Ding, das einer schwarzen Schlange glich, welches ihn zum Schreien brachte. Es war etwas anderes, das wie Schleim durch das Portal strömte; eine trübe Masse, die den Dachboden überschwemmte, kochend und brodelnd wie Schwefelsäure.
Michael Minnis hat viele seiner Erzählungen und Novellen ganz dem Kosmos H.P.Lovecrafts untergeordnet und er tut das in einer handwerklich versierten Art, so wie hier in Ein altes Haus an einer regennassen Straße.
Auch die anderen Geschichten dieses Bandes spiegeln das Interesse des Autors für Lovecrafts Räume, Zeiten und Plätze wider, egal ob sie als Dark-Fantasy oder als Erzählung aus der Frühzeit des Wilden Westens daherkommen.
Kadath, Leng, Arkham oder Innsmouth – Michael Minnis nimmt den Leser an die Hand und mit zu den Schauplätzen seines großen Vorbildes.
Dieser Band ist eine Erstveröffentlichung aus dem amerikanischen Englisch.
Biographische Information:
Michael Minnis wurde am 20. Oktober 1969 in Saginaw, Michigan, als Sohn von Paul und Barbara Minnis geboren. Er hat zu verschiedenen Zeiten in Michigan, Ketucky, Ohio und Wisconsin gelebt.
Michael Minnis studierte Bildende Kunst/ Kreatives Schreiben an der Bowling Green State University in Ohio und Graphic Design am Washtenaw Community College.
Gleich sein erster Erzählband erschien auf Deutsch und Englisch als Wendeband im Jahr 2005 in einer kleinen, heute längst vergriffenen Liebhaber-Edition im "mg-Verlag"-Plaidt als Kooperation mit der Edition Bärenklau.
Weitere Arbeiten erschien unter anderem in Arkham Tales, Horrors Beyond und The Averoigne Legacy.
Derzeit arbeitet er als freier Mitarbeiter für die "Great Lakes Post" und berichtet über Basketball und Fussball auf College-Niveau.
“Das Universum selbst ist ein Spukhaus, und wir können es nicht verlassen.“
EIN PAAR FRAGEN AN MICHAEL MINNIS
Mike, wie sind Sie zum Schreiben gekommen? Wer waren Ihre literarischen Vorbilder?
Wie bin ich zum Schreiben gekommen?
Das ist eine gute Frage, und ich habe keine klare, eindeutige Antwort.
Ich behaupte heute, dass ich etwa im Alter von acht Jahren eine Passage aus Mark Twains "Die Abenteuer des Tom Sawyer" abgeschrieben habe, in der Tom und sein Freund
Huck auf der Suche nach einem vergrabenen Schatz waren. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keine literarischen Vorbilder. Ich begann erst mit etwa zehn Jahren, zum Vergnügen zu lesen - im
Gegensatz zu den kleinen Schulaufgaben - und entdeckte Tolkien.
Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob ich mit "Der Hobbit" oder "Der Herr der Ringe" angefangen habe. Ich erinnere mich, dass ich 1977 „Der Hobbit" gesehen habe.
Damals war ich zu jung, um eine Verbindung zwischen dem, was ich las und JRR Tolkiens großen Werk herzustellen.
Ich vermute, dass ich erst später den "Herr der Ringe" gelesen und danach den Bakshi-Zeichentrickfilm von 1978 gesehen habe.
Ich wurde inspiriert, meine eigene "Trilogie" mit einem Freund zusammen zu schreiben und sie war ein Produkt unserer Vorstellungskraft der sechsten Klasse, eine ziemlich schamlose Trivialität von Tolkien.
Wir kamen nie weiter als mit einer Karte und ein paar Notizen zur Geschichte. Die Karte selbst war eine topografische Katastrophe - die Flüsse verliefen von Osten
nach Westen statt von Norden nach Süden wie die meisten Flüsse, die Berge waren wie Sicherheitszäune angeordnet und das Ganze war wie eine „Lasagne“ geschichtet. Einfach schrecklich.
Lovecraft erschien erst auf meinem „Leseplan“, als ich dreizehn Jahre alt war. Ein Freund lieh mir eines der berüchtigten Del Rey-Taschenbücher, mit morbidem Einband
von Michael Whelan.
„Das solltest Du lesen“, raunte er.
Das wurde mein Necronomicon!
Was fasziniert Sie an Lovecrafts Werk - an seinem kohärenten Kosmos?
Das schiere Ausmaß, das gigantische Ausmaß seines in sich geschlossenen Kosmos.
Autoren, die sich früher mit dem Aufbau einer imaginären Welt beschäftigt haben, davon bin ich überzeugt, die haben im Regelfall nicht versucht, einen ganzen Kosmos
von Grund auf zu bauen. Lovecraft hat nicht nur das getan, sondern er hat sich auch in seine Schöpfungsgeschichte eingearbeitet: Anthropologie, Wissenschaft, die gesamte Raumzeit, primitive
uralte Kulte, geheimes okkultes Wissen, eine verzerrte Geometrie... und dabei hat er etwas Überzeugendes erfunden, das merkwürdigerweise plausibel ist. Und dann ließ er seine Schöpfung auf die
wirkliche Welt los, damit andere etwas hinzufügen und daraus weiteres, neues schöpfen konnten.
Haben Sie eine Lieblingsgeschichte von H.P.Lovecraft?
Das ist schwer zu beantworten, denn für mich steht „The Dunwich Horror“ im völligwn Gegensatz zu „The Color Out of Space“. Ich tendiere zu letztgenannter Erzählung,
weil das Wesen völlig unbekannt bleibt.
In der Story der Dunwich-Horror ist es ein eindeutig böses Monster mit einem eindeutig bösem Ziel, aber es wird schließlich besiegt und die Welt ist wieder „geheilt“.
Was „The Colour...“ betrifft, können wir uns über nichts sicher sein.
Ist sie bekannt?
Ist sie tierisch oder mineralisch oder Strahlung oder Wellenlänge?
Ist sie überhaupt lebendig?
Wie beginnen wir, uns ihr zu nähern?
Die einzige Schwäche „der Farbe“ scheint ein unbekannter Zeitplan zu sein, den sie einhalten muss, weil sie die Erde wieder verlassen muss.
Was für die Menschheit möglicherweise die Rettung war, knapp der Ausrottung entkommen zu sein, ist ein UNBEKANNT gebliebenes Ereignis!
Und wenn ja, was macht die Menschheit so Besonders, das sie davon partizipiert hat?
Die unausgesprochene Aussage der Geschichte: Das Universum selbst ist ein Spukhaus, und wir können es nicht verlassen.
Können Sie beschreiben, wie Sie an eine ihrer eigenen Kurzgeschichten herangehen? (Ist sie in Ihrem Kopf bereits fertig oder entwickelt sie sich während des Schreibens?)
Ich versuche, so viel von der Kurzgeschichte im Geiste bereits vorab zu skizzieren, wie ich mental verarbeiten kann, denn ich möchte möglichst nicht mehr als zweimal den Text durchkorrigieren.
Ich habe "THE PEOPLE'S HARE" (Roman) sechsmal von vorn bis hinten durchgearbeitet und es ist eine Erfahrung, die ich nicht wiederholen möchte. Das ist sehr
zeitaufwendig. Von den vier Kurzgeschichten, die ich derzeit auf dem "Reissbrett" habe, sind drei mehr oder weniger geistig von Anfang bis Ende bereits im Kopf "durchgeplant" - die vierte ist
einfacher gehalten, dass ich denke, ich kann sie im Laufe der Zeit und aus dem "Handgelenk" schreiben.
Haben Sie außerhalb der Genres Fantasy/ Horror noch andere literarische Vorbilder?
Andere Autoren die außerhalb des Fantasie- und Horrorgenres stehen...? Da wären Bill Bryson (bekannt auch in Deutschland durch seine humorvollen und informativen Reiseberichte aus Europa) und der politische Kolumnist P.J. O' Rourke (studierte an der Johns Hopkins University und veröffentlicht im Atlantic Monthly, National Lampoon u.a.) zu nennen. Hinzu kommen Theodore Dalrymple , ein brillanter Essayist (u.a. "Der Untergang Europas"/ Lichtschlag Verlag), und Anthony Burgess, Autor von "A Clockwork Orange".
Ganz ehrlich - was halten Sie von Stephen King, wenn ich fragen darf und ansonsten von den anderen zeitgenössischen Fantasy/Horrorautoren.
(Ich persönlich mag Thomas Ligotti in der Shortstory und auch den Autor T.E.D. Klein...)
Ich glaube wirklich, dass "Pet Sematary" und "Salem's Lot" ausgezeichnete Romane sind und in den allgemeinen Literatur-Kanon aufgenommen sein sollten. Ich mag auch
Ligottis Arbeit.
Was T.E.D. Klein betrifft - ich glaube, Klein ist heute Verleger und schreibt nicht mehr, aber "MorgenGrauen" (The Ceremonies) hat mir gefallen.
Ich lese fast keine Fantasy.
Für mich beginnt und endet sie mit Tolkien. Und selbst bei diesem Autor habe ich meine Grenzen. Ich mag "Der Hobbit", aber ich fühle mich nicht gezwungen, ihn so zu lesen, wie ich "Der Herr der Ringe" lese.
Ich habe nie "Das Silmarillion" gelesen. Wenn Hobbits einmal aus dem Bild sind, wird ein Großteil von Mittelerde für mich zu einer Museumsführung; ich bin beeindruckt, aber ich kann mich wirklich nicht damit identifizieren. Stanley Unwin, der Verleger von Tolkien, wollte zum Beispiel mehr Hobbits statt Elfenherren und wir bekamen "Der Herr der Ringe" als Ergebnis. Ich denke, dies ist eine der klügsten Entscheidungen, die je im Verlagswesen getroffen wurden.
Zum Schluss: Warum schreiben Sie eigentlich? Was bedeutet das für Sie?
Ich schreibe, weil es eines der wenigen Dinge ist, von denen ich das Gefühl habe, dass ich sie wirklich gut mache. Ich bin dabei auch Künstler, aber es gibt viele gute Künstler da draußen und noch mehr, die technisch viel versierter sind als ich es je sein werde. Da fühle ich mich ganz klein und ich habe nicht die geringste Hoffnung, da jemals mithalten zu können.
Und - das Schreiben ist, offen gesagt, einfach gut bezahlt.
Doch in beiden Fällen - glaube ich - steht man vor dem Weiß, diesem leeren Weiß - und man versucht, etwas daraus zu machen...
ENDE
c, by Edition Bärenklau - Interview und Fotos/ by Michael Minnis und Jörg Martin Munsonius
Der Autor - Michael Minnis
First Print, 2005
Michael Minnis: This picture is a reference to the film "The Shining"...
Der Autor als Maler
Mein Studium der Fine Art: Etwa zu der Zeit, als ich am College (1989) als Hauptfach „Bildende Künste“ belegte, war Photoshop noch ein Jahr von der allgemeinen Einführung entfernt.
Meine Ausbildung war also in dieser Hinsicht sehr klassisch: Aktmodelle,
Atelierunterricht, Kritische Analyse und dergleichen.
Meinen Einstand gab ich mit einem Mappenportfolio, wo ich Lovecrafts The Shadow Over Innsmouth illustrierte, aber die Zeichnungen scheinen seitdem
verschwunden zu sein.
Als Nebenfach belegte ich die Malerei klassische Landschaftssujets. Nichts
Fantastisches oder Übernatürliches. Für meine Abschlussmappe illustrierte ich später wichtige Passagen aus All Quiet on the Western Front, nach Erich
Maria Remarques (1898 - 1970) großem Roman.
(Im Westen nichts Neues), Erstausgabe 1929 bei Propyläen, 1929.
Als die Computer ein wichtiger Teil des Lehrstoffs wurden, setzte man bei uns statt auf MacIntosh auf Atari.
Ich glaube, das war ein Fehler. Unsere „Bild-Labore“ wurden also eine Petrischale für die aufkommenden Computerviren.
Es hat auf mich einen deart abschreckenden Eindruck gemacht, das es viele Jahre dauerte, bevor ich Photoshop oder irgendein anderes Grafikdesign-Programm angefasst habe.
Lake Huron, Illustration von Michael Minnis
The Forrest, Illustration von Michael Minnis
Sedona, Illustration von Michael Minnis
Old Mill, Illustration von Michael Minnis